Aus: Langnauerpost 106. – Text: Werner Zuber
Vor 100 Jahren wurde der Bau eines Schützenhauses am jetzigen Standort an der Albisstrasse bewilligt. 60 Jahre diente die erste Anlage, auch schon wieder 40 Jahre wird die zweite genutzt. Der ursprüngliche Bau führte allerdings zu einem veritablen Dorfkrach zwischen Turnern und Schützen
Die Geschichte des Schiesswesens in der Schweiz ist eng mit der nationalen Geschichte verknüpft. «Feuerwaffen» gelangen erst im 15. Jahrhundert bei den verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen zu Bedeutung. Sie waren auch mitentscheidend für das Ende einer fast 200-jährigen Phase, während der eidgenössische Söldner als Diener vieler europäischer Herren einen gefürchteten Ruf hatten und beinahe unbezwingbar schienen. 1515, in der Schlacht von Marignano, siegten die Franzosen vornehmlich wegen ihrer artilleristischen Überlegenheit, die Steinschlossgewehre der Söldner erwiesen sich letztlich als zu wenig präzis und weit reichend.
Im Gebiete der heutigen Schweiz gab es schon damals Schützenfeste, aber man war noch weit entfernt davon, dies von einem festen Stand aus zu tun. So wissen wir von einem Schützenfest auch für Ausserkantonale im Zürich des Jahres 1502. Die religiösen Spannungen zwischen Katholiken und Reformierten liessen derartige Feste dann für rund ein Jahrhundert nicht zu, erst 1604 in Solothurn, 1605 in Basel und 1608 in Zürich gab es wieder glanzvolle Schiessen. Eine übliche Distanz zwischen Schützen und Scheiben in dieser Zeit waren 350-Manns-Schritte.
Zwar blieben die Schützenfeste, sie hatten aber zunehmend nurmehr kantonalen Charakter. Erst das 19. Jahrhundert sollte dann den Aufschwung bringen. Noch bevor die Schweiz 1848 die Gründung in ihrer heutigen Form erlebte, waren schon wieder 13 Eidgenössische Schützenfeste durchgeführt worden, seit 1827 gab es auch einen Eidgenössischen Schützenverein. Geschossen wurde um dieser Zeit mit Hinterladergewehren, ab 1911 kamen Karabiner zum Einsatz, ab 1957 das Sturmgewehr. Mit der Militärorganisation von 1874 wurde erstmals das ausserdienstliche Schiesswesen durchgesetzt. Dies war, im Nachhinein betrachtet, die Geburtsstunde der festen Schiessstände.
Was lange währt, …
Schiessen als Vereinssport gab es in Langnau aber schon zuvor. 1847 war der Infanterieschiessverein Langnau gegründet worden. So kennen wir aus dem Helvetischen Kataster von 1801 einen «Jakob Widmer, Under Albis, besitzt im Schützen, Langacher, angrenzend an den Bach und sein eigenes Land 1 Vierlig Reben, sodann in Rinderweid und Schützen 1 1/4 Juchart Wiesen.» Auf einem Übersichtsplan der Gemeinde von 1915 ist ebenfalls eine «Schützenmatt» eingetragen. Zweimal also die fast gleiche Bezeichnung, es sind aber verschiedene Areale.
Der Eintrag «Schützen» von 1801: Es ist eine Schiessanlage beim heutigen «Löwen» gemeint, den es zu diesem Zeitpunkt schon fast 300 Jahre gab. Von einem richtigen Stand zu sprechen, wäre jedoch verfehlt. Mehr als ein Unter-Stand war es nicht, die Scheiben wurden in den Boden gesteckt. Die Wild-Karte ist in den Jahren nach der Gründung des Infanterieschiessvereins Langnau aufgenommen worden. Damals zweigte der (Karren-)Weg Richtung Oberrengg unmittelbar bei der Taverne ab, und da die Schützen kaum aufwärts geschossen haben dürften, ergibt sich als einzige logische Lage ein Unterstand etwas unterhalb des «Löwen» Richtung Hasle (es ist dort auch ein Fussweg eingezeichnet) und eine Schussrichtung nach Südosten zum Wildenbühl. Die Höhenkurve
von 570 Meter führt interessanterweise über die ganze benötigte Distanz praktisch parallel
zur Albisstrasse. Es können 300 Meter bis zu den Scheiben gewesen sein, aber auch mehr. In Adliswil beispielsweise schoss man bis 1894 in der «Werd» auf 400 Meter. In einem Protokoll findet sich auch der Hinweis, dass als Schützenmeister der Wirt im Under Albis tätig war.
Aus dem Jahr 1884 haben wir Kenntnis, dass auf dem Albis ein grosses kantonales Schützenfest ausgetragen worden ist. Man schoss Richtung Birrwald, und mit Brauerei-Inhaber Heinrich Gugolz stellten die Langnauer sogar den Schützenkönig. Er war offenbar ein Meisterschütze: Im Jahr darauf wurde er in Bern Schützenkönig. Gestorben ist er im Alter von 68 Jahren im Jahre 1913 – er durfte also noch miterleben, dass Langnau (endlich) zu einem richtigen Schiessstand kam.
«Hasengarten» als zweite Station
Hasengarten heisst das Gebiet, wo heute das Betriebsgebäude des Wildnisparks steht. Für das Jahr 1855 wird im Kataster der Kantonalen Gebäudeversicherung erstmals eine «Weinschenke Hasengarten» eingetragen. Besitzer ist ein Jakob Syfrig. Auf ihn lautet auch der Eintrag von 1871: «1 Schiesstand, 400 Fr., frei stehend, neu erbaut, sowie 1 Scheibenstand». Es war ein Mann mit Durchhaltevermögen: Er wirtete nicht weniger als 45 Jahre, bis ins Jahr 1900, mit einem einzigen Unterbruch von 1863-1867.
Mit ziemlicher Sicherheit wurde eine erste Schiessgelegenheit schon 1836 eingerichtet. In der Oeli, dem Gebäude des heutigen Restaurants «Brauerei», wurde nicht nur Oel gepresst, sondern auch gefeiert. Über Wirt Hans Heinrich Gugolz steht im Polizeirapport vom 11. März 1836: «Er hat auf den 13. und 14. März ein Schiesset ausgeschrieben auf dem neu erbauten Schiessstand (vor dem Langenberg). Dies soll ihm verweigert werden, …» Das Nein des Gemeinderates scheint ihn nicht gekümmert zu haben. Eintrag vom 15. März: «Speisewirt Gugolz wird dem ordentlichen Richter überwiesen betreff … Herstellung eines Schützenstandes und Abhaltung eines Schiessets.»
Hans-Peter Egger, Präsident des Schützenvereins Langnau von 1989-2004, weiss aus den Vereinsaufzeichnungen früherer Jahre: «Der Wirt im Hasengarten musste den Schützen freundlich gesinnt sein. Sie hatten dort auch ihr Vereinslokal.» Die Einrichtung, die Syfrig 1871 zusätzlich versichert hatte, «war ein typischer Feldstand. Die Scheiben wurden knappp 300 Meter entfernt in den Boden gesteckt, und erst auf ein Blasen mit einem Horn hin durften die Zeiger ihre Arbeit tun.» Aus den Aufzeichnungen gehe auch hervor, «dass im Hasengarten gelegentlich auch Schabernack getrieben wurde: Die Männer schossen direkt aus dem Restaurant auf die Scheiben.»
Unklar ist dann eine Periode von rund 15 Jahren: Für 1897 vermeldet das Assekuranzverzeichnis, dass die Schiessanlagen abgetragen worden seien. Vielleicht auch nur ein kleiner Schwindel, um sich die Versicherungsprämien zu sparen? Denn erst ab 1907 erfolgten die wesentlichen Schritte für den ersten «richtigen» Schiesstand im Dorf.
Turner gegen Schützen
Die Gemeindeversammlung vom 13. Mai 1907 brachte einen Grossaufmarsch von fast einem Drittel der 420 Stimmberechtigten. Der Turnverein wollte eine Turnhalle, die erste ihrer Art in Langnau. An die Kosten von 40’000 Franken wolle er 5000 beitragen. Der Gemeinderat war grundsätzlich dafür, wollte das Geschäft aber verschieben, weil sonst die Steuern unbotmässig steigen müssten. Auf den Verschiebungsantrag entfielen 65 Stimmen, auf den sofortigen Bau der Turnhalle 77. Also hätte man ans Werk gehen können …
Am 2. April 1909 reichten die beiden Schützenvereine – der Freiwillige Schützenverein war 1901 gegründet worden – dem Gemeinderat das Gesuch ein, ein Projekt für einen Schiessstand ausarbeiten zu lassen, im Neuguet (dem heutigen Standort). Am 5. April wurde das Geschäft im Gemeinderat verhandelt und befürwortend an die Gemeindeversammlung vom 25. Mai weitergeleitet; diese folgte der Exekutive ohne Gegenstimme. Die Turner erinnerten in der Diskussion an das Ja für ihr Anliegen zwei Jahre zuvor; geschehen war seither noch nichts, den Schützen ihren Wunsch abschlagen wollten sie zu diesem Zeitpunkt aber doch nicht.
Am 18. Juni 1911 wurde das detaillierte Neuguet-Projekt der Gemeindeversammlung vorgelegt. Wiederum waren mehr als 30 Prozent der Stimmberechtigten anwesend. Die Kosten für Land, gedeckten Schiessstand und die Scheibenlage betrugen 16’000 Franken, bei eine Quadratmeterpreis von 1.32 Franken. Jetzt aber kam die Retourkutsche der Turner: Mittlerweile seien vier Jahre vergangen, seit ihre Turnhalle eigentlich bewilligt worden war, und schliesslich sei die Finanzlage nicht besser geworden. Mit 67 zu 51 Stimmen wurde geheime Abstimmung beschlossen, mit 68 zu 62 Stimmen dann der Kredit für die Schiessanlage verweigert.
Im nächsten Schritt liessen es die Turner vorsichtiger angehen. An der Gemeindeversammlung vom 5. November des gleichen Jahres wurde, trotz erneut reger Diskussion, ein Kredit von 500 Franken für die Vorarbeiten zum Bau einer Turnhalle gesprochen.
An der nächsten Gemeindeversammlung vom 18. Februar 1912, also nur dreieinhalb Monate später, stellten dann die Schützen ein Wiedererwägungsgesuch. Erneut wurde heftig diskutiert, es kamen die gleichen Argumente wie früher, aber in der geheimen Abstimmung erhielten die Schützen dieses Mal mit 71 zu 59 Stimmen «ihren» Kredit von 16’000 Franken. Und die Turnhalle? Am 1. Juni 1913 wurde der Kredit von 43’000 Franken von der Gemeindeversammlung anstandslos bewilligt …
Im Budget geblieben
Der Schiesstand wurde noch im gleichen Jahr erstellt. Zum Einsatz kam das System Schellenberg. Es umfasste einen Kehrscheibenstand mit 12 Zugscheiben für die Distanz 300 Meter sowie eine Feldschiessanlage mit 6 Scheiben, Distanz 400 Meter. Der bewilligte
Kredit von letztlich 17’000 Franken konnte eingehalten werden, der kompliziertere Bau der Turnhalle, die noch heute, mit verändertem Zugangsbereich, oberhalb des Wolfgraben-Schulhauses steht, war erst im Dezember 1914 bezugsbereit, bei einer Kostenüberschreitung von knapp zehn Prozent.
Nächste Station im regionalen Schiesswesen war die Gründung des Bezirksschützenvereins Horgen im Jahre 1916. Interessanterweise gehörte der jüngere der beiden Langnauer Vereine, der Freiwillige Schiessverein, zu den Gründervereinen, mit 33 Mitgliedern. Der zu diesem Zeitpunkt schon 73 Jahre bestehende Infanterieschiessverein stiess erst 1920 hinzu.
1930 wurde aus dem Duo der Langnauer Schiessvereine ein Trio, dank dem neuen Arbeiter-Schiessverein. Die Schweizerische Arbeiter-Schützenverband (SASB) war im August 1917 in Aarau gegründet worden, als einer von vielen Vereinen, die aus der Arbeiterbewegung in der Schweiz hervorgegangen waren. 1968 erfolgte die Umbenennung in «Albis-Schützen», an die Tradition der vielen Schiessanlässe auf dem Hausberg anknüpfend. Das Standarten-Einweihungsschiessen von 1975 wird als einer der Höhepunkte in der Vereinsgeschichte genannt, als über 1000 Schützen nach Langnau kamen. Im Jahr 2001 vereinigten sich der Schweizer Schützenverband, der Schweizerischer Sportschützenverband und der SASB zur neuen Organisation Schweizer Schiesssportverband (SSV).
Aus den Annalen des Bezirksverbandes erfahren wir auch, dass von 1947 bis 1952 ein Pistolenschiessverein Mitglied war. Alt-Präsident Hans-Peter Egger weist darauf hin, dass auch bei den beiden «echten» Schiessvereinen immer wieder mit der Pistole geschossen wurde. «Man steckte zu diesem Zweck Scheiben 50 Meter vom Stand entfernt in den Boden.»
1976 fusionierten der Infanterieschiessverein und der Freiwillige Schiessverein zum Schützenverein Langnau.
Der neue Stand
Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich immer klarer: Mit dem alten Stand war es nicht mehr weit her. Die Bevölkerung stand dieses Mal voll hinter den Schützen: Mit überwältigendem Mehr bewilligte sie an der Gemeindeversammlung vom 25. Juni 1981 einen Kredit von 670’000 Franken für den Neubau des Schützenhauses, die Renovation des Scheibenstandes und die Wiederherstellung des Kugelfangs. Noch im gleichen Jahr organisierten die Schützen in eigener Regie den Abbruch, um Platz für das neue Schützenhaus zu schaffen. Die Bauarbeiten dauerten von September 1981 bis April 1982.
Dabei leisteten die Schützen an die 1600 Stunden Fronarbeit.
Im April 1982 konnte die neue Schiessanlage, in der es neu auch eine Schützenstube gab, erstmals getestet werden. Den ersten Ansturm überlebte sie am 4./5. September 1982, als 53 Schützinnen und 232 Schützen am Gemeindeschiessen teilnahmen. Das offizielle Einweihungsschiessen wurde am Wochenende vom 29. April bis 1. Mai 1983 durchgeführt.
Viele Erfolge – und die Fusion
Über die Jahre gab es immer wieder herausragende Schützen aus Langnau. Die Aufzählung einiger weniger aus der jüngsten Vergangenheit kann hier deshalb nur stellvertretend sein: 2003 wurde der Schützenverein kantonaler Gruppenmeister 300 m im
Feld B. Im Rahmen des 55. Eidgenössischen Schützenfestes in Frauenfeld wurden 2005 auch die Armeemeister erkoren, über 1000 Schützen nahmen daran teil. Einzelsieger Gewehr wurde Dominik Winzeler vom SV Langnau mit 72 von 80 möglichen Punkten. Als Gruppenführer der Geb Inf Kp 91 holte er im Mannschaftswettbewerb eine zweite Meistermedaille; in seinem Team war mit Boris Burdack ein zweites SVL-Mitglied erfolgreich. 2008 gelang ihm als einzigem von 1000 Schützen im Bezirk Horgen beim Feldschiessen das Maximalresultat von 72 Punkten, die Bezirks-Sektionsrangliste führten wie im Jahr zuvor die Albisschützen an.
Der Gedanke, dass aus den zwei Langnauer Vereinen einer wird, wurde schon seit einigen Jahren gesponnen. Im November 2011 haben die beiden Präsidenten einen gemeinsamen Brief an ihre «Schützenkameraden, Gönner und Freunde» verfasst. Darin heisst es: «Seit Jahren ist es unabsehbar, dass unsere alteingesessenen Schützenvereine aus schiesstechnischen sowie administrativen Gründen sich an der Zukunft orientieren müssen. Aus diesen Überlegungen haben sich die Vorstände der beiden Vereine ASV und SVL im Oktober 2011 in der Schützenstube getroffen, und man ist sich schnell einig geworden, dass wir zu Handen der Generalversammlungen den Antrag einer Fusion der Schützenvereine auf Ende Schiesssaison 2012 stellen werden.» Die Mitglieder des Schützenvereins haben der Fusion an ihrer Generalversammlung zugestimmt. Bei den Albisschützen kam das Ja an der Generalversammlung im Jahr darauf.
Wie gut die Fusion vorbereitet worden war, zeigte sich an der Gründnungsversammlung des neuen Vereins «Albis-Schützenverein» am 19. Oktober 2013: Sie konnte bereits nach einer Viertelstunde geschlossen werden.